Der Endorphin-Effekt: Wie Lachen uns schmerzfrei und glücklich macht
Wenn in einer Runde jemand ein richtig herzliches, ansteckendes Lachen loslässt, fangen alle anderen fast automatisch mit an. Und plötzlich fühlt sich alles leichter an, wärmer, näher. Wir denken meist: „Ach, einfach gute Laune.“ Doch hinter diesem Gefühl steckt eine ganz konkrete biochemische Zauberei, die buchstäblich schmerzlindernd wirkt und Menschen stärker zusammenschweißt als jedes Gespräch.
Stell dir einen ganz normalen Abend mit Freunden vor. Jemand erzählt eine total bescheuerte Geschichte, alle lachen sich schlapp, und genau in dem Moment stößt sich jemand den kleinen Zeh am Tisch. Normalerweise wäre das Weltuntergang plus Flüche in drei Stockwerken. Aber diesmal prustet die Person nur: „Boah, tut ja fast gar nicht weh.“ Und das ist keine Großspurigkeit. Das sind Endorphine.
Die Wissenschaft hinter dem Gelächter
2012 hat ein britisches Forscherteam um Professor Robin Dunbar (ja, genau der mit der „Dunbar-Zahl“ von etwa 150 stabilen sozialen Kontakten) untersucht, warum Lachen uns seit der Steinzeit so eng zusammenhält. Sie haben Freiwillige eingeladen und ein richtiges „Lachexperiment“ veranstaltet.
Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen geteilt. Die eine Hälfte schaute sich 15 Minuten lang Videos an, die garantiert Lachkrämpfe auslösten (Stand-up-Comedy, lustige Clips). Die andere Hälfte bekam extrem langweilige Dokumentationen über Golfregeln oder die Herstellung von Holzpaletten vorgesetzt – garantiert lachfrei. Danach wurde allen eine Blutdruckmanschette am Arm immer fester aufgepumpt, bis es richtig wehtat – ein standardisierter Labortest für die Schmerzgrenze.
Das Ergebnis war beeindruckend: Wer gerade herzlich gelacht hatte, hielt 10–30 % mehr Druck aus als die Kontrollgruppe. Dabei wurde die Stimmung extra gemessen – es lag also nicht einfach daran, dass „ich gute Laune habe, deshalb spüre ich keinen Schmerz“. Der Effekt kam wirklich vom Lachen selbst.
Die Forscher gingen noch einen Schritt weiter und analysierten den sozialen Kontext. Und siehe da: Das gemeinsame Lachen verstärkte den Effekt massiv, da wir in der Gruppe deutlich häufiger und intensiver lachen als allein. Allein vor dem Bildschirm zu schmunzeln, reichte oft nicht aus, um die nötige körperliche Reaktion zu zünden.
Der Schluss der Wissenschaftler klingt fast poetisch: Lachen ist ein evolutionärer Mechanismus des sozialen Zusammenhalts. Wenn wir gemeinsam lachen, schüttet das Gehirn Endorphine aus – dieselben körpereigenen Opioide, die auch beim Sport oder beim Orgasmus freigesetzt werden. Diese Endorphine docken an den Opioid-Rezeptoren an, dämpfen Schmerzen und erzeugen gleichzeitig Vertrauen und Nähe. Lachen ist also buchstäblich ein natürlicher „Sozialkleber“.
Das erklärt so einiges aus dem Alltag
- Warum man nach einer guten Komödie im Kino mit völlig fremden Leuten wie mit alten Freunden plaudert.
- Warum in der Armee, bei Firmenfeiern oder im Studentenwohnheim gemeinsames Gelächter aus Fremden blitzschnell „unsere Leute“ macht.
- Warum Paare, die oft miteinander lachen, seltener auseinandergehen (es gibt Studien, die eine klare Korrelation zwischen Häufigkeit gemeinsamen Lachens und Beziehungsdauer zeigen).
Robin Dunbar ist überzeugt, dass Lachen älter ist als die Sprache. Schon bei Primaten gibt es lachähnliche Laute beim Spielen und beim Lausen, die ebenfalls Endorphine freisetzen. Bei uns Menschen wurde daraus ein extrem mächtiges Werkzeug, weil wir nicht nur kitzeln können, sondern auch über einen abstrakten Witz lachen – und damit die Endorphin-Maschine auch über Distanz oder per Zoom starten können.
Wenn dir also das nächste Mal jemand sagt „Hör auf zu wiehern wie ein Pferd“, kannst du ganz entspannt antworten: „Ich wiehere nicht. Ich betreibe gerade wissenschaftlich bewiesene Endorphin-Therapie für mich und die ganze Runde.“
Zusammen laut lachen ist also nicht nur schön – es ist eine der ältesten und wirksamsten psychologischen Praktiken, die die Evolution erfunden hat, damit wir einander nicht vor Langeweile und Einsamkeit auffressen. Also spar nicht damit. Lach laut und bis Tränen fließen. Dein Gehirn wird es dir danken.
Referenz
- Dunbar, R. I. M., Baron, R., Frangou, A., Pearce, E., van Leeuwen, E. J. C., Stow, J., … & van Vugt, M. (2012). Social laughter is correlated with an elevated pain threshold. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 279(1731), 1161–1167. https://doi.org/10.1098/rspb.2011.1373